
Über 90 % der Umweltauswirkungen eines Unternehmens entstehen entlang der Lieferkette – ein Wert, der zeigt, wie dringend Veränderung in der Lieferkette nötig ist.Denn mit schärferen Klimazielen und zunehmenden regulatorischen Anforderungen werden grüne Lieferketten nicht länger als Wettbewerbsvorteil betrachtet, sondern als der neue Standard. Für Fachkräfte im Supply Chain Management bedeutet das: Bestehende Prozesse müssen überdacht und Beschaffung, Logistik sowie Produktion stärker an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet werden. Doch wie sieht eine grüne Lieferkette konkret aus? Dieser Beitrag gibt einen klaren Überblick darüber, was grüne Lieferketten ausmacht, warum sie heute so wichtig sind und wo Unternehmen mit dem Wandel beginnen können.
Was eine grüne Lieferkette ausmacht
Eine grüne Lieferkette berücksichtigt ökologische Verantwortung in sämtlichen Bereichen des Supply Chain Managements – von der Produktentwicklung und Materialbeschaffung über Produktion und Logistik bis hin zur Rückführung oder Weiterverwertung am Lebensende eines Produkts. Ziel ist es, ökologische Auswirkungen zu minimieren, ohne dabei Effizienz oder Wachstum einzuschränken.
Mit dem Anstieg von E-Commerce und den wachsenden Erwartungen der Verbraucher steigt der Druck auf Unternehmen, Lieferketten zu gestalten, die nicht nur schnell und kosteneffizient, sondern auch nachhaltig und widerstandsfähig sind. Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz und Machine Learning unterstützen diesen Wandel, indem sie Ineffizienzen sichtbar machen, Verschwendung reduzieren und Optimierungspotenziale aufdecken, die bislang ungenutzt blieben.
Der Druck steigt: Was den Wandel antreibt
Der Wandel hin zu nachhaltigeren Lieferketten gewinnt spürbar an Tempo. Regulatorische Vorgaben wie der European Green Deal, das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sowie wachsende ESG-Berichtspflichten erhöhen den Druck auf Unternehmen, nachhaltiger und transparenter zu agieren. Gleichzeitig fordern Konsument:innen zunehmend Produkte mit geringerer Umweltbelastung, und auch Investor:innen bewerten Unternehmen verstärkt anhand ihrer Nachhaltigkeitsleistung.
Doch es geht nicht nur um äußeren Druck – auch unternehmerische Risiken nehmen zu. Klimabedingte Störungen, volatile Rohstoffmärkte und Reputationsschäden durch nicht nachhaltiges Handeln wirken sich direkt auf die Resilienz von Lieferketten aus. Wer jetzt nicht handelt, riskiert steigende Kosten, belastete Lieferantenbeziehungen und verpasste Geschäftschancen. Wer hingegen frühzeitig umdenkt, schafft nicht nur Compliance, sondern stärkt seine Lieferkette langfristig – wirtschaftlich wie strategisch.
Von der Strategie zur Umsetzung: Effektive Hebel für grüne Lieferketten
Nachhaltigkeit endet nicht bei der Strategie – sie beginnt bei der Umsetzung. Wer ökologische Auswirkungen reduzieren, gesetzliche Vorgaben erfüllen und gleichzeitig die Krisenfestigkeit seiner Lieferkette erhöhen will, sollte an vier zentralen Stellen ansetzen:
- Nachhaltig und zertifiziert beschaffen: Eine umweltverträgliche Lieferkette beginnt bei der Auswahl der Rohstoffe. Zertifikate wie die des Forest Stewardship Council (FSC) stellen sicher, dass Materialien unter nachhaltigen und ethisch verantwortungsvollen Bedingungen gewonnen werden. Unternehmen, die konsequent auf zertifizierte Rohstoffe setzen, schützen nicht nur natürliche Ressourcen und Arbeitsrechte – sie minimieren auch Compliance-Risiken und schaffen Vertrauen bei Partnern und Kunden.
- Lieferanten regelmäßig überprüfen: Verstöße in vorgelagerten Lieferkettenstufen bleiben häufig unentdeckt – dabeientstehen gerade in der frühen Phase, etwa bei der Rohstoffgewinnung, rund 18 % der verbrauchsbedingten Treibhausgasemissionen in der EU. Regelmäßige Audits sind daher ein wirksames Instrument, um Risiken frühzeitig zu indentifizieren und rechtzeitig gegenzusteuern. Ein bekanntes Beispiel ist IKEA: Nachdem ein Lieferant falsche Herkunftsnachweise vorlegte, reagierte das Unternehmen konsequent und beendete die Zusammenarbeit. Proaktive Maßnahmen sind hier entscheidend, um Transparenz zu schaffen, Standards durchzusetzen und um langfristige Schäden zu vermeiden.
- Logistik optimieren und Emissionen reduzieren: Die Logistik ist einer der Hauptverursacher von Emissionen in der Lieferkette – gleichzeitig aber auch ein zentraler Hebel für nachhaltige Verbesserungen. Grüne Lieferketten setzen auf intelligente Transportplanung: Durch die Bündelung von Lieferungen, optimierte Routenführung und die Reduktion von Leerfahrten lassen sich Kraftstoffverbrauch und CO₂-Ausstoß deutlich senken. Auch effiziente Verpackungskonzepte leisten einen wichtigen Beitrag, indem sie Volumen und Materialeinsatz reduzieren und gleichzeitig die Laderaumauslastung verbessern. Wer den Warenfluss ganzheitlich neu denkt, spart nicht nur Kosten, sondern reduziert auch seinen ökologischen Fußabdruck.
- Abfall vermeiden und verantwortungsvoll entsorgen: Produktionsprozesse bringen unweigerlich Abfälle mit sich – etwa überschüssige Materialien, Emissionen oder belastetes Abwasser. Entscheidend ist, wie Unternehmen mit diesen Rückständen umgehen. Durch zirkuläre Strategien, den Einsatz recycelter Materialien und moderne, ressourcenschonende Technologien lässt sich Abfall bereits an der Quelle reduzieren. Was sich nicht vermeiden lässt, muss umweltgerecht behandelt werden – besonders bei kritischen Stoffen wie Mikroplastik, PFAs oder chemischen Rückständen. Eine nachhaltige Lieferkette übernimmt Verantwortung – auch für das, was am Ende übrig bleibt.
Was Nichtstun kostet
Nachhaltigkeit auf die lange Bank zu schieben, ist keine Option mehr – und kann Unternehmen teuer zu stehen kommen. Wer seine Lieferkette nicht konsequent ökologisch ausrichtet, setzt sich gleich mehreren Risiken aus:
- Finanzielle Risiken – etwa durch regulatorische Strafen oder ineffizienten Energie- und Materialeinsatz
- Reputationsverlust, insbesondere in Zeiten wachsender Transparenzanforderungen von Kund und Geschäftspartnern
- Verpasste Chancen, zum Beispiel beim Zugang zu grüner Finanzierung, Fördermitteln oder nachhaltigen Geschäftsbeziehungen
Aktuelle Entwicklungen machen deutlich: Unternehmen, die beim Thema Nachhaltigkeit nicht aktiv werden, geraten zunehmend unter Zugzwang. Immer mehr Unternehmensehen sich öffentlicher Kritik ausgesetzt – etwa wegen intransparenter Beschaffung oder fehlender Umweltstandards. Einige mussten bereits Produkte aus dem Sortiment nehmen, weil ihre Lieferketten nicht den geltenden Anforderungen entsprachen. In einer global vernetzten Wirtschaft, in der Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsfaktor wird, ist Untätigkeit längst keine Option mehr.
Fazit: Zukunft sichern – oder den Anschluss verlieren
Der Wandel hin zu grünen Lieferketten ist längst im Gange. Unternehmen, die jetzt handeln, gestalten aktiv mit: Sie setzen Standards, gewinnen nachhaltige Geschäftspartner und stärken ihre Resilienz gegenüber künftigen Störungen.
Wer zögert, riskiert hingegen, den Anschluss zu verlieren – in einem Markt, der sich immer stärker auf Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Verantwortung ausrichtet. Nachhaltigkeit im Supply Chain Management ist kein einmaliges Projekt, sondern ein grundlegender Wandel in der Art, wie Unternehmen wirtschaften. Und je länger man wartet, desto aufwändiger wird es, den Rückstand aufzuholen.